In meiner Selbstständigkeit als Marketing- und PR-Beraterin für Gründerinnen, Dienstleister und KMUs bereichern zahlreiche Begegnungen mit tollen Gründerinnen meine Tätigkeit. Hinter jeder Unternehmerin steckt eine ganz eigene Geschichte und berufliche Entwicklung. Diese Frauen inspirieren mich und es ist ein großes Geschenk mit solchen Existenzgründerinnen und Unternehmerinnen intensiver zusammenzuarbeiten bzw. den Austausch zu pflegen.
In meiner Interviewreihe stelle ich (un)regelmäßig Existenzgründerinnen vor, die den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit gewagt haben. Mit diesen Vorstellungen möchte ich andere Frauen ermutigen, die auch mit dem Gedanken “spielen” in die berufliche Selbstständigkeit zu gehen.
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Bild: Foto-Reimer
Emine Wellauer hat im Stuttgarter Westen ihre Therapieräume für ihre psychotherapeutische Beratung in einer Gemeinschaftspraxis. Im Juli 2019 hat sie ihren seit mehr als 30 Jahren gehegten Traum als Therapeutin tätig zu sein, realisiert. Nach vielen Jahren der Aus- und Fortbildung u.a. zur psychologischen Beraterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, zum Personalcoach, in der Burnout-Beratung und der medizinischen Hypnose hat sie sich beruflich nochmal komplett neu aufgestellt. Sie war viele Jahre sehr erfolgreich im Immobilienbereich eines großen Konzerns tätig. Durch Umstrukturierungsmaßnahmen hat sich ihr Aufgabengebiet sehr verändert und von dem ihr wichtigen persönlichen Kundenkontakt war nichts übrig geblieben. Irgendwann war ihr klar, dass diese Situation für sie nicht auf Dauer gesund und glücklich machend ist. Sie entschied sich berufsbegleitend für eine berufliche Neuorientierung, der Trennung von ihrem langjährigen Arbeitgeber und dem Start in die berufliche Selbstständigkeit.
Welche Erinnerungen haben Sie an die Anfänge Ihrer Selbstständigkeit?
EW: Meine Gründungsbegeisterung wurde bedingt durch einige Falschauskünfte im Vorfeld der Gründung zum Thema Krankenkassenbeiträge ziemlich gedämpft. Das führte auch dazu, dass ich den Plan mit der Selbstständigkeit erst einmal auf Eis gelegt habe. Denn mit solch einer hohen Fixkostenbelastung konnte ich nicht starten. Zum Glück habe ich eine Lösung für mich gefunden. Diese sieht für mich so aus, dass ich eine Anstellung in Teilzeit habe und parallel im Rahmen der Kleinunternehmerregelung als Heilpraktikerin für Psychotherapie selbstständig bin. Auch die Raumfindung war mit einigen Hürden verbunden. Ich hatte einen geeigneten Raum gefunden, aber in den schriftlichen Unterlagen war die Raummiete plötzlich deutlich teurer als mündlich abgesprochen. Hier konnte keine Kompromisslösung gefunden werden. Was im Nachhinein betrachtet ein großer Glücksfall ist. Denn mein jetziger Praxisraum ist ruhig und für meine Klienten und mich auch verkehrsgünstiger gelegen. Außerdem ist mein Raum in einer Gemeinschaftspraxis und ich schätze die kollegiale Bereicherung sehr.
Wie war das mit der Kundengewinnung?
Zur Akquise hatte ich im Vorfeld von Kollegen bereits sehr kritische Stimmen gehört, aber ich habe mich davon nicht beirren lassen. Bereits nach wenigen Monaten hatte ich schon eine ganz gute Frequenz und ganz viele meiner Klienten kommen auf Empfehlung bestehender Klienten, das macht mich sehr glücklich. Natürlich gab es zu Anfang größere Lücken in meinem Terminkalender. Diese Zeit habe ich dann einfach genutzt, um Netzwerke zu knüpfen. Ich habe mich tageweise in ein Coworking-Space eingebucht, dort sind ja ganz viele Einzelunternehmer und mit ihnen habe ich mich ausgetauscht. Das hat mich sehr motiviert oder auch der Besuch von Veranstaltung bei der IHK oder bei BeFF (Berufliche Förderung von Frauen) war sehr hilfreich. Ich habe diese stille Zeit auch genutzt, um beispielsweise auf Psychotherapeuten mit Kassenzulassung zuzugehen, die ja total überlastet sind. Dort habe ich mich als Übergangstherapeutin angeboten. Auch wenn solche Aktivitäten nicht sofort zum gewünschten Erfolg führen, war es mir wichtig mich aktiv und präsent zu zeigen.
Welche persönlichen Tipps mögen Sie an angehende Existenzgründerinnen weitergeben?
Wichtig finde ich es dranzubleiben, d.h. an sich und sein Ziel der erfolgreichen Existenzgründung zu glauben. Es gibt Durststrecken und man darf nicht die Illusion haben, dass alle gleich zu Beginn Schlange stehen. Kritische Aussagen, die auf einen einströmen, sollte man so objektiv wie möglich für sich überprüfen und die eigene Verunsicherung „relativieren“.
Ganz wichtig ist es einen ausreichenden „finanziellen Atem“ einzuplanen. Es braucht Zeit bis sich Aufträge ergeben. Insbesondere in der psychotherapeutischen Arbeit muss man erst einmal das Vertrauen der möglichen Klienten gewinnen bzw. geduldig sein, bis überhaupt der Bedarf für das Dienstleistungsangebot erkannt wird. Man muss sich im Voraus darauf einrichten, dass zuerst keine oder nur wenige Einnahmen fließen und diesen Zeitraum muss man überbrücken können.
Was würden Sie rückblickend auf Ihre berufliche Selbstständigkeit anders machen?
Ich hätte mich viel früher mit der Selbstständigkeit beschäftigen bzw. es wagen sollen. Wenn man eine berufliche Unzufriedenheit spürt, sollte man auf sich hören, sich damit befassen und die innere Rückmeldung prüfen. Aber die finanzielle Absicherung hält einen häufig ganz immens zurück und hat auch mich zu lange in der damaligen beruflichen Situation festgehalten.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Krisen in der Selbstständigkeit und was macht das mit Ihnen?
Die aktuelle Corona-Problematik bringt mich schon in eine gewisse Krisensituation. Es werden beispielsweise viele persönliche Paar-Beratungen abgesagt oder erst gar nicht angefragt. Grundsätzlich versuche ich die Angst in den Hintergrund zu stellen und mit Zuversicht zu agieren.
Durch diese veränderten Rahmenbedingungen habe ich aber z.B. auch schon neue Angebote entwickelt: So biete ich meinen Klienten jetzt Geh-Spräche an. D.h. wir treffen uns nicht in meiner Praxis, sondern zu einem Spaziergang mit Gespräch draußen in der freien Natur. Auch meine ersten Erfahrungen mit Online-Beratungen sind sehr positiv. Außerdem hat das den zusätzlichen Mehrwert, dass manche Klienten ganz gezielt psychotherapeutische Unterstützung fern ab von ihrem täglichen Wirkungskreis suchen, was mit den Onlineberatungen optimal möglich ist.
Welchen beruflichen Wunsch hätten Sie an eine gute Fee, die vorbei fliegt?
Mein Traum wäre es Teil eines ganzheitlichen Gesundheitszentrums zu sein oder vielleicht sogar eines zu eröffnen. In diesem Zentrum würden Therapeuten und Ärzte verschiedenster Fachrichtungen gemeinsam für den Patienten da sein und mit diesen noch intensiver und nachhaltiger arbeiten können. Auch der Austausch der Therapeuten untereinander, um für den Patienten ein effizientes Therapieangebot mit kurzen Wegen, würde ich hier gerne realisieren.
Was machen Sie gerne privat?
Meine Familie, meine Freunde und meine sozialen Kontakte sind mir sehr wichtig! Außerdem liebe ich die Bewegung in der Natur, zu reisen, zu tanzen und zu meditieren. Ich mag sowohl lebendige als auch ruhige Zeiten in meinem Leben.